Bei dieser Frage ist natürlich der Hamburger Hafen ein zentrales Thema. Aber wenn ich an die koloniale Gegenwart denke, fallen mir auch sofort die Menschen und das Leben rund um den Steindamm im Stadtteil St. Georg ein. Dort gibt es einen Mix von indischen Läden, pakistanischen, indonesischen Geschäften und arabischen Supermärkten. Vielleicht gibt es nicht den direkten, klassischen Bezug zu Hamburg und seiner Kolonialgeschichte, aber – aus einer europäischen Perspektive betrachtet – ist der Ort trotzdem sehr spannend. Es gibt Verbindungen zu den britischen Kolonien wie Indien und Pakistan oder auch Syrien, wenn es um Frankreich geht. Es gibt dort viele Bezüge zum Thema Kolonialismus zu entdecken: Die Menschen, die dort arbeiten oder einen Laden betreiben, haben selbst eine direkte Erfahrung mit Kolonialismus oder kennen ihn aus dem Kontext ihrer Familiengeschichte.
Wenn man am Hauptbahnhof aussteigt und nicht in die Einkaufsmeile mit den teuren Luxusmarken rund um die Mönckebergstraße und den Jungfernstieg, sondern in die andere Richtung zum Steindamm läuft, sieht man Schriftzüge in verschiedenen Sprachen. Es ist Hamburg, aber gleichzeitig ist es auch nicht Hamburg. Die Verbindungslinie vom Steindamm mit seinen bunten und einfachen Läden über die Fußgängerzone Spitalerstraße bis zum Jungfernstieg lässt sich als eine Reise zwischen „Orient und Okzident“ beschreiben. Am Steindamm finden wir Schilder mit arabischen und indischen Schriften. Er ist immer noch anders als andere Gegenden. Ich finde die Straße einen interessanten Ort, den aber viele Hamburger und Touristen entweder überhaupt nicht oder nur als Schmuddelecke wahrnehmen. Sie gehen dort nicht hin, weil sie dort nichts suchen und weil sie ihn als fremd empfinden. Andererseits kenne ich auch Leute, die sagen: „Wenn ich einen Kurzurlaub brauche, dann fahre ich zum Steindamm.“
Jeder Supermarkt hat eine Geschichte für sich. Und die Menschen dort, die damals nach Deutschland eingewandert sind und heute einen Laden haben, oder auch die, die heute als Geflüchtete oder Studenten kommen, haben mit Kolonialismus zu tun.
„Die junge Generation sieht sich nicht mehr als Gast wie noch viele Ältere, die dachten, dass sie keine Rechte hätten, sich sichtbar zu machen."