„Wir sind hier, weil ihr dort wart.” [1]
Stuart Hall
Strukturelle Gründe für die kapverdische Emigration
Der kapverdische Archipel ist als junge Nation ein politisches und kulturelles Produkt des portugiesischen Kolonialprojekts, das im 15. Jahrhundert seinen Anfang nahm. Seit dem Ende des Kampfes um die Unabhängigkeit der während der Kolonialzeit von Portugal besetzten Gebiete im Jahr 1975 sehen wir uns mit diversen Problematiken konfrontiert, die von der öffentlichen bis zur privaten Sphäre reichen und die Kontinuität des Kolonialismus sowie die Art und Weise, wie er sich heute materialisiert, deutlich machen. In diesem Sinne bilden die Kapverden und ihre riesige Diaspora keine Ausnahme. Wir, die wir zur zweiten Generation der kapverdischen Migrant:innen gehören, die im 20. Jahrhundert nach Europa kamen, haben den postmemorialen Zustand geerbt (Ribeiro, 2021).
Es handelt sich dabei um ein komplexes Phänomen, das auf der Weitergabe des kulturellen und intergenerationellen Gedächtnisses sowie der maßgeblichen aktiven Einbeziehung tiefer emotionaler Bindungen beruht. Ausgehend von unseren persönlichen Erfahrungen in Europa stellen wir einige Überlegungen zur Entwicklung einer transnationalen kapverdischen Gesellschaft des afrikanischen Kontinents an, die durch eine kreolische Identität und eine afrikanische sowie europäische historische Präsenz geprägt ist.
Die großen Hungersnöte, die die Kapverden heimsuchten, und das Ende der Zwangsarbeit auf den Plantagen von São Tomé und Príncipe [2] - eine Regelung, mit der die diktatorische Regierung Portugals die hohe Zahl der Opfer der katastrophalen Hungersnot auf den Kapverden verschleiern wollte - zwangen einen großen Teil der Bevölkerung, das Land ihrer Geburt zu verlassen. Mit portugiesischer Staatsbürgerschaft im Gepäck - denn "Portugal war kein kleines Land" [3] - verließ unsere Familie die Inseln des Barlavento („Inseln über dem Wind“), São Nicolau und São Vicente, um, teilweise allein, teilweise in Gruppen, nach Lissabon zu gehen.
Bei der Ankunft in Portugal wartete für gewöhnlich jemand auf diejenigen, die die wochenlange Überfahrt hinter sich gebracht hatten. Zurück blieben Familienangehörige, die die Auswander:innen in einigen Fällen nicht mehr wiedersehen würden. Vor ihnen lag die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben, das die kolonialherrschaftliche Einflussnahme auf den kargen Inseln unmöglich gemacht hatte. Viele überquerten den Nordatlantik mit dem Schiff und kamen in einem von der Salazar-Diktatur durchdrungenen Lissabon an, das mit symbolischen Darstellungen von Schiffen, Karavellen, Galeonen und Korvetten an Gebäuden und Denkmälern die glorreiche koloniale Vergangenheit zur Schau stellte. Im Gegensatz zum tropischen Klima auf den Kapverden sahen sie sich bei ihrer Ankunft mit der klimatischen und gesellschaftlichen Kälte, der Fremdheit und den von rassistischen Vorurteilen geprägten sozialen Verhältnissen konfrontiert. Die Schwierigkeiten waren vielfältig. In Gesprächen über diese Vergangenheit wird oft der Schmerz deutlich, der sich in Körpern manifestiert, die unter diesen Umständen das Stigma der vom Kolonialregime geförderten sozialen Minderwertigkeit trugen. Vieles musste vergessen werden, um leben zu können. Dabei war die Widerstandskraft immer größer. Trotz Ablehnung und Verachtung durch die weiße portugiesische Mehrheitsgesellschaft gründeten sie Familien, heirateten und bekamen Kinder.
Die Nuancen der kapverdischen Gemeinschaften im 20. Jahrhundert in Lissabon
Die Ansiedlung kapverdischer Gemeinschaften auf portugiesischem Hoheitsgebiet im 20. Jahrhundert lässt sich anhand zweier grundlegender Aspekte verstehen. In Anbetracht der Tatsache, dass jede Insel eine Identität sui generis sowie eine sehr ausgeprägte Variante der kapverdischen Sprache besitzt, haben diese beiden Faktoren eine wichtige Rolle bei der Kartierung der vielfältigen kapverdischen Diasporagemeinschaften gespielt, ebenso wie bei der Art und Weise, wie sie sich innerhalb der Aufnahmegesellschaften in der ganzen Welt und in Europa organisiert haben. Aus der mikrohistorischen Perspektive unserer Gemeinschaft beginnt der Weg, den wir hier beschreiben, in den 1960er- und 1970er-Jahren, als ungelernte portugiesische Arbeitskräfte in Länder wie Frankreich, Deutschland und Luxemburg abwanderten.
Während in Portugal einerseits eine kapverdische Elite aus dem portugiesischen kolonialen Verwaltungskontext hervorging, verfügte andererseits ein beträchtlicher Prozentsatz der von dieser afrikanischen Inselgruppe Kommenden über wenig oder gar keine formale Bildung.
Es sei darauf hingewiesen, dass dieser Prozess auf dem Höhepunkt der am längsten andauernden Militärdiktatur im Europa des 20. Jahrhunderts (1933-1974) stattfand. Für dieses südeuropäische Land, das in den 1970er-Jahren eine Analphabet:innenrate von 25 % aufwies, waren die Kapverdier:innen niedrig bezahlte Arbeitskräfte, die zum enormen Wachstum der portugiesischen Wirtschaft beitragen sollten. So beginnt die Herausbildung einer Identität auf der Grundlage eines kolonialen Mosaiks, in dem das Kapverdische mit dem Portugiesischen koexistiert [4]. In anderen Worten, Identitäten, die das Produkt von Geschichte und Kultur sind, überschneiden sich [5], was die Kapverdier:innen zu modernen Subjekten mit doppeltem Bewusstsein macht, das aus der historischen Verstrickung des Schwarzen Atlantiks im Sinne von Paul Gilroy hervorgeht.
Lissabon: Eine neue Etappe, eine neue Herausforderung
Das Leben in der Stadt Lissabon war in einer ersten Phase ein Ort der Arbeit und des Wohnens. Kapverdische Frauen arbeiteten oft als Haushälterinnen in weißen, bürgerlichen Familienhäusern. Auch in Spanien und Italien waren sie vorzufinden, wobei im letzteren Fall die religiösen Gemeinschaften auf den Kapverden den Weg ebneten. Parallel dazu arbeiteten viele Männer als Hafenarbeiter in den niederländischen Häfen von Rotterdam. Das Ehegelübde diktierte oft ein Leben in der Ferne für eine lange Zeit. Die Ehepartner, die ebenfalls emigrierten, überwiesen Geld in ein Land, das sie nur wenige Male im Jahr besuchten. Viele kamen auf hoher See ums Leben und die Traumata einiger Überlebender führten zum Freitod - ein Thema, das heute tabu ist. Die Widrigkeiten, die sich aus der geringen oder fehlenden Schulbildung und den schlechten Arbeitsbedingungen ergaben, zwangen die meisten von ihnen, am Rande der Hauptstadt zu leben. In Ermangelung staatlicher Unterstützung und angesichts der Mühsal des Lebens war eine prekäre Wohnsituation in vielen Fällen unvermeidlich, sei es durch die Besetzung verlassener Gebäude wie des verfallenden Gefängnisses von Porto Brandão - des 1869 errichteten Lazareto/Asilo 28 de Maio in Almada - oder durch prekäre Bauten an der Azambuja-Linie - eine Situation, die jahrzehntelang andauern sollte. Dies sind nur zwei Beispiele für Fälle, die in Vergessenheit geraten sind. Glücklicherweise war dies nicht das Schicksal unserer unmittelbaren Familie, die sich seit den 1980er-Jahren nahe der Sado-Linie in einer Gegend niederließ (Barreiro und Alhos Vedros), in der schon im 18. Jahrhundert versklavte Afrikaner:innen präsent waren.
Familie Lopes auf dem Terreiro do Paço; vor der Reiterstatue von D. José I. (ca. 1988); Vater und Kinder. Auf diesem Platz in Lissabon, der jahrhundertelang durch den Seehandel geprägt wurde, waren Schwarze Menschen eine Konstante. © Hélder Lopes
Familie Lopes auf dem Terreiro do Paço; vor der Reiterstatue von D. José I. (ca. 1988); Mutter und Kinder. Auf diesem Platz in Lissabon, der jahrhundertelang durch den Seehandel geprägt wurde, waren Schwarze Menschen eine Konstante. © Hélder Lopes
Seemann M.J. Dos Reis; in einer Schiffskabine (ca. 1981). © Madlene Reis
Familie Dos Reis; auf der Überfahrt mit der Fähre von Barreiro nach Lissabon (1983). © Madlene Reis
Seemann M. J. Dos Reis; im Hafen von Stockholm (1982). © Madlene Reis
Die vorherrschende portugiesische Sprache, die für viele Kapverdier:innen eine Fremdsprache war, stellte ein Hindernis für die Integration in Portugal dar. Die Präsenz der kapverdischen Sprache dagegen begleitet alle Momente des Lebens unserer Gemeinschaft, einschließlich der Wiederbelebung einer zurückgelassenen Kultur - selbst nach Jahren des Aufenthalts im Ankunftsland. Wir, die Nachkommen dieser Generation, sind ebenfalls mit der kapverdischen Sprache aufgewachsen, die jedoch sehr oft in unserer Gegenwart vermieden wurde, um das Erlernen der portugiesischen Sprache nicht zu "kontaminieren".
Die Beziehung zum Mutterland ist ebenso komplex. Obwohl wir in Portugal geboren und aufgewachsen sind und unser Erwachsenenleben in einem Land verbracht haben, das den institutionellen Rassismus leugnet, stellen wir oft unsere Zugehörigkeit und Herkunft in Frage. Wie Luís Batalha feststellt, wurde in Portugal, anders als in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten, keine Identität mit Bindestrich geschaffen [6], was bedeutet, dass wir in vielen Fällen auf Ablehnung stießen und Schwierigkeiten hatten, uns in Portugal zu integrieren. In "Afrika" suchen wir also nach einem Ort der Zugehörigkeit und einer Identität in einem riesigen Gebiet, das uns paradoxerweise oft unbekannt ist.
Hamburg: Das Symbol für Arbeit und Wohlstand
Die oben beschriebenen Widrigkeiten, die sich aus der geringen oder fehlenden Schulbildung und den schlechten Arbeitsbedingungen in Portugal ergaben, veranlassten einige Kapverdier in den 1960er-Jahren, nach Holland zu gehen, um dort Seefahrer zu werden. Die Arbeit auf niederländischen und deutschen Schiffen wurde meist besser entlohnt. Die Arbeitskräfte kamen von dort, wo sie am billigsten waren, nämlich aus ehemaligen Kolonien wie den Kapverden. Die Seefahrer und Hafenarbeiter, die maßgeblich für den freien Warenverkehr auf globaler Ebene verantwortlich waren und sind, haben jedoch immer nur die Krümel des globalen Wirtschaftskuchens erhalten [7].
Damals konnten sie sich bis zu einem gewissen Grad aussuchen, auf welchen Schiffen sie arbeiten wollten. Bevorzugt wurden niederländische, skandinavische und deutsche Schiffe, da diese im Allgemeinen vergleichsweise bessere Arbeitsbedingungen boten. Die Kapverdier, die zunächst in die Niederlande auswanderten, reisten in die Bundesrepublik weiter und ließen sich vor allem in den Hafenstädten Hamburg und Bremen nieder. Somit war die Auswanderung nach Hamburg hauptsächlich arbeitsbedingt. Wie in Portugal nahmen sie meist schlecht bezahlte Arbeitsplätze in den unteren Sektoren ein, zum Beispiel als Hafenarbeiter, Reinigungspersonal oder Köche. Diejenigen, die sich in der Stadt niederließen, spielten oft eine entscheidende Rolle als Vermittler und holten nach und nach weitere Familienmitglieder nach Hamburg. Vielen blieb keine andere Wahl, als sich in hafennahen Stadtteilen wie Hamm-Süd, Veddel oder Wilhelmsburg anzusiedeln, die von der Stadt infrastrukturell vernachlässigt wurden. Im Vergleich zu anderen Stadtteilen waren die Mieten dort niedriger und die Arbeitswege kürzer. Die Tätigkeiten von (ehemaligen) Seefahrern konzentrierten sich praktisch auf ein eng umrissenes Gebiet in Hafennähe. Auch die wichtigen sozialen Einrichtungen für Seefahrer befanden sich in der typischen Hafenumgebung. Als informelle Treffpunkte bildeten Bars die organisatorische Basis für die Kommunikation und den Informationsaustausch der Kapverdier in Hamburg. Es waren Orte, an denen das Heimweh gemeinsam geteilt werden konnte. Die wichtigsten kulturellen Informationsträger waren die Sprache und die Musik, wobei Letztere die Traurigkeit und die Sehnsucht nach den Kapverdischen Inseln ausdrückte [8].
Einheit: Ein Weg zur Bekämpfung von Rassismus
Die Sprache diente schon immer dazu, die Unverwechselbarkeit der kapverdischen Gemeinschaft und Identität zu etablieren und hervorzuheben. In der spezifischen Situation der Emigration verstärkt die nationale Perspektive die Bildung und Funktionalität der kapverdischen Identität. Im Ausland scheinen insulare Unterschiede keine so große Rolle zu spielen wie auf den Kapverden selbst. Ein entscheidender Faktor für den sozialen Zusammenhalt ist die Tatsache, dass die Kapverdier:innen in der Emigration mit Problemen konfrontiert werden, die sie unabhängig von ihrer insularen Herkunft gleichermaßen betreffen. Sie vereinen sich so in einem gemeinsamen Kampf gegen die sozialen Restriktionen, denen sie im Ausland ausgesetzt sind.
Im Hinblick auf die konkreten Bedingungen der Emigration in Deutschland impliziert die Identitätsfrage eine scheinbar widersprüchliche introspektive Auseinandersetzung. Die Tatsache, dass sie sich nicht als Afrikaner:innen oder Portugies:innen, sondern vor allem als Europäer:innen sehen, führt dazu, dass die Konstruktion des "Ichs" stark im insularen Mikrokosmos der Kapverden verwurzelt ist und daher eine unbestreitbare Hingabe an das Mutterland besteht. Obwohl sie sich nicht als Portugies:innen sehen, gibt es eine kulturelle Zugehörigkeit zu Portugal und eine konsequente Distanzierung von ihrem afrikanischen Selbst. Die bewusste Distanzierung von Afrika kann als Kompensationsfunktion gegenüber individuell empfundenen Benachteiligungen wie dem unverhohlenen Rassismus, der Teil der persönlichen Erfahrung ist, gesehen werden. In Anbetracht der offensichtlichen Nachteile, mit denen sie konfrontiert sind, seien es die Sprachbarriere, der Rassismus, die kulturellen Unterschiede wie auch die rechtlichen Aspekte, war und ist die Situation für viele Kapverdier:innen unglaublich schwierig. Wir, die zweite und dritte Generation, versuchen die (noch) sehr kleine kapverdische Gemeinschaft in Hamburg zu erhalten, indem wir Feste organisieren und Sportvereine gründen. Das Bewusstsein, zu einer hauptsächlich afrikanischen Gemeinschaft in der Diaspora zu gehören, entwickelt sich zunehmend. Mit anderen Worten: Die gemeinsamen soziohistorischen und soziogeografischen Erfahrungen, die Kapverdier:innen der zweiten und dritten Generation mit ihren afrikanischen Geschwistern in Hamburg und anderen westlichen Metropolen teilen, werden verstärkt.
Fazit
Verwurzelt in der afrikanischen und europäischen Präsenz auf dem Archipel vor der afrikanischen Küste im Nordatlantik, wurde die kapverdische Identität in einer Sklav*innenhaltergesellschaft unter dem portugiesischen Imperium über fünf lange Jahrhunderte geformt. Die Emigration war für einen großen Teil der kapverdischen Bevölkerung eine Chance, aber vor allem eine Tatsache, die sich aus den besonderen sozioökonomischen und politischen Umständen ergab. Zu nennen wären hier die zyklischen Dürreperioden, die „Ausrottung“ durch systematische Hungersnöte, der Niedergang der nationalen Wirtschaft sowie die Auswirkungen des portugiesischen Kolonialkriegs in Afrika in den 1960er-Jahren, der zur Unabhängigkeit des Landes (1975) und anderer von Portugal während der Kolonialisierung besetzter Gebiete führte. Wir nähern uns dem 50. Jahrestag der Unabhängigkeit dieses Landes in einer Zeit, in der die finanzielle und weltwirtschaftliche Stabilität und in jüngster Zeit die durch die COVID-19-Pandemie und den drohenden Atomkrieg verursachten Spaltungen die Auswirkungen von Rassismus, Gewalt und Genoziden wieder zum Vorschein gebracht haben, die zudem die dichotomen Unterschiede zwischen Nord und Süd, West und Ost verstärken.
Schwarzer oder afrikanischer Widerstand in Afrika und der Diaspora wird mit antikolonialen Widerstandskämpfen und revolutionären Persönlichkeiten wie Amilcar Cabral, Sekou Touré, Kwame Nkrumah, Assata Shakur und anderen in Verbindung gebracht, die dazu beitrugen, dass viele Afrikaner:innen ein würdiges Leben frei von kolonialen Verhältnissen führen konnten. Für viele Kapverdier:innen, ob in Lissabon, Hamburg oder anderen Städten, bedeutet antikolonialer oder postkolonialer Widerstand jedoch auch, dass sie sich den allgemeinen soziohistorischen und ökonomischen Widrigkeiten und Schwierigkeiten des täglichen Lebens widersetzen, indem sie sich bewusst dafür entscheiden, gemeinsam zu überleben.
Auf politischer, finanzieller und sozialer Ebene prägten Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten aufgrund von Klasse und „Rasse“ die Erfahrungen unserer Familie in Lissabon und Hamburg sowie die vieler anderer Kapverdier:innen, was sich im Allgemeinen in einer Verschlechterung der physischen und psychischen Gesundheit niederschlug. Dies führte mitunter zu widersprüchlichen Überlebensmechanismen wie kollektiver Amnesie, das heißt dem „Vergessen“ traumatischer Episoden, Selbstverdrängung und dem Verschweigen von Schmerzen. Die täglichen Rassismuserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen, bei der Wohnungssuche oder bei den staatlichen Behörden zeugen von einer kolonialen Kontinuität, die die Kapverdier:innen ihrerseits dazu zwingt, ihr Afrikanischsein neu zu entdecken. In diesem Prozess haben sich die bestehenden kulturellen Konzepte und Identitäten ohne Wiederkehr tiefgreifend verändert. Zusammengefasst finden wir es nach den hier vorgenommenen Reflexionen zur Vergangenheit dringend nötig, eine Dialektik über das kapverdische Generationengedächtnis und seine Verbindung mit anderen vergangenen und gegenwärtigen Migrationsphänomenen zu fördern.
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BibliografiE
BATALHA, Luís. “Cape Verdeans in Portugal”: in Carling, Jørgen & Luís Batalha (eds.) Transnational Archipelago Perspectives on Cape Verdean Migration and Diaspora. Amsterdam University Press, Amsterdam, 2009, S. 61-72.
GILROY, Paul (1993) The Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness. Verso Books. London.
HALL, Stuart. “The Question of Cultural Identity”: in Hall, David Held, Anthony McGrew (eds.), Modernity and Its Futures. Cambridge. Polity Press. 1992, S. 274–316.
KALNINS, Artur (1991) Kapverdeaner zwischen Hamburg und Kap Verde. Emigration, Heimaten, Identität und soziale Wirklichkeit. Verlag Peter Lang GmbH. Frankfurt am Main.
RIBEIRO, António Pinto (2021) Novo Mundo. Arte Contemporânea no Tempo da Pós-Memória. Afrontamento. Porto.
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Fußnoten
[1] Stuart Hall zitiert von Ben Carrington, in seinem Beitrag zur Diskussion über “Thinking It Forward” auf der Konferenz Policing the Crises am Barnard College/Stony Brook University/Columbia University, New York, September 24–26, 2015.
[2] Erst kürzlich erfuhren wir von dem Fall eines Verwandten, der inzwischen achtzig Jahre alt ist und am Stadtrand von Lissabon lebt. Er wurde auf den Plantagen von São Tomé und Príncipe zur Zwangsarbeit gezwungen, eine Praxis, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fortgeführt wurde, trotz der dortigen Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1875. Leider gibt es zahlreiche undokumentierte persönliche Geschichten, die dieser ähneln.
[3] Wir beziehen uns hier auf den Titel des propagandistischen Plakats, das der Armeeoffizier Henrique Galvão 1934 anlässlich der ersten portugiesischen Kolonialausstellung in Porto anfertigen ließ. Ziel dieser Veranstaltung war es, die vom nationalistischen portugiesischen Diktator António de Oliveira Salazar (1889-1970) vertretene koloniale Ideologie zu verherrlichen.
[4] Batalha, in Batalha u. Carling, Transnational Archipelago Perspectives on Cape Verdean Migration and Diaspora, 61.
[5] Hall, in Hall, David Held, Anthony McGrew, The Question of Cultural Identity, in Modernity and Its Futures. 274–316.
[6] Batalha, in Batalha u. Carling, Transnational Archipelago Perspectives on Cape Verdean Migration and Diaspora, 44.
[7] Kalnins, Kapverdeaner zwischen Hamburg und Kap Verde. Emigration, Heimaten, Identität und soziale Wirklichkeit, 95.
[8] Kalnins, Kapverdeaner zwischen Hamburg und Kap Verde. Emigration, Heimaten, Identität und soziale Wirklichkeit, 76.