José Eduardo Agualusa

© João Ferrand

José Eduardo Agualusa
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Eine Bibliothek der afrikanischen Präsenz

Interview: MARTA LANÇA

Welchen Platz würden Sie wählen, um den Bezug der Stadt zur Kolonialgeschichte und zum Widerstand stärker sichtbar zu machen, und warum? 

 

Wenn ich nur von der Stadt und nicht vom Großraum Lissabon spreche, nenne ich als Beispiel den Stadtteil Madragoa, früher Mocambo genannt, das im 17. und 18. Jahrhundert ein Gebiet mit starker afrikanischer Präsenz war. Als ich vor 40 Jahren nach Lissabon kam, um Agrarwissenschaft zu studieren, war dies ein Gebiet mit großer kapverdischer und afrikanischer Präsenz. Dieser ganze Bereich der Stadt - Madragoa, Rua do Poço dos Negros, Rua do Sol ao Rato - hatte in der Vergangenheit eine sehr starke Präsenz, und dann erneut im 20. Jahrhundert. Leider ist diese Präsenz heute fast verschwunden. Es gibt aber immer noch einige kapverdische Restaurants in der Straße Poço dos Negros. 

Wie könnte man der afrikanischen Präsenz gedenken? 

 

Ich bin Schriftsteller, ich denke, der beste Weg ist es, Bibliotheken zu schaffen. Schaffen wir eine gute Fachbibliothek, die dem afrikanischen Lissabon, dem gesamten Prozess der Sklaverei, den afrikanischen Ländern gewidmet ist, eine Bibliothek, in der Zeitungen und Zeitschriften über Afrika und die afrodeszendierende Bevölkerung zu finden sind. Es wäre interessant, diese Bibliothek in einem der Paläste unterzubringen, die in diesen Vierteln afrikanischer Präsenz noch existieren.

Glauben Sie, dass es in der Stadt eine interessante Debatte über die Erinnerungspolitik gegeben hat?

 

Es ist eine neue Debatte, über deren Fragen gerade viel diskutiert wird. Eine portugiesische Gemeinschaft afrikanischer Herkunft, die alt ist, eine Geschichte und Tradition hat, ist fast verschwunden und vor kurzem wieder aufgetaucht. Seit nicht allzu langer Zeit hat Portugal eine neue Community von Staatsangehörigen afrikanischer Herkunft. 

Dennoch muss eine Unterscheidung getroffen werden; es hat nichts mit dem zu tun, was in Frankreich oder England geschieht. Die portugiesische Gemeinschaft afrikanischer Herkunft ist im Vergleich zu diesen Ländern sehr klein. Dennoch ist es eine Gemeinschaft, die beginnt, in der Kunst, der Literatur, der Musik und der Politik vertreten zu sein. Und das erklärt auch, warum die Debatte lauter geworden ist. 

Nennen Sie uns Beispiele für einige Passagen oder Figuren der afrikanischen Präsenz Lissabons aus Ihren Büchern. 

 

Ich habe ein Buch in Zusammenarbeit mit Fernando Semedo geschrieben, das Fotografien von Elza Rocha enthält (leider sind beide bereits verstorben) und den Titel „Afrikanisches Lissabon“ trägt (Edições Asa, 1993). Es handelt genau von diesem zeitgenössischen Lissabon der afrikanischen Präsenz. Das Buch wurde vor langer Zeit veröffentlicht und wäre heute völlig veraltet. Ich habe das Gefühl, dass dieses Lissabon in gewisser Weise bereits lebendiger gewesen ist. Zum Beispiel gab es innerhalb der Stadt, ich spreche nicht von den Stadtvierteln, eine konzentriertere afrikanische Präsenz. Heute haben wir abgesehen vom B.Leza fast keine afrikanischen Nachtclubs und selbst Restaurants gibt es nur sehr wenige. Ich habe das Gefühl, dass es weniger wird. Es gibt mehr Portugiesen afrikanischer Herkunft, aber vielleicht gibt es weniger Afrikaner. Vielleicht suchen diese Portugiesen afrikanischer Herkunft diese Räume noch nicht, ich weiß es nicht. Die Wahrheit ist, dass diese kulturelle Präsenz Afrikas scheinbar abnimmt, während gleichzeitig die Gemeinschaft afrikanischer Herkunft größer wurde. „Nação Crioula“ (1997, deutscher Titel: Ein Stein unter Wasser; wörtlich: Kreolische Nation), ein Epochenroman (19. Jahrhundert), hat einige wenige Passagen, die in Lissabon spielen. Die Protagonistin von „Die Frauen meines Vaters“ (2007) ist eine junge Frau afrikanischer Herkunft, Laurentina, die sich auf die Suche nach Afrika begibt und einen Freund afrikanischer Herkunft hat, der nichts mit Afrika zu tun haben will. Dies sind zwei Haltungen, die man bei den neuen Portugiesen afrikanischer Herkunft findet: diejenigen, die nach ihrer Herkunft suchen, die interessiert sind und sich selbst als plurinational definieren, andere, die sich von dieser Beziehung zu Afrika distanzieren.