Kirche São Julião in Lissabon

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Portugiesisch-jüdischer Friedhof in Hamburg-Altona

© Nicole Benewaah Gehle 2021

Kirche São Julião in Lissabon

Portugiesisch-jüdischer Friedhof in Hamburg-Altona

Multiple Kolonialismen: Die Achse Hamburg–Lissabon im 17. und 18. Jahrhundert

Jorun Poettering
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Lange bevor das Deutsche Kaiserreich Kolonien erwarb, errichtete Portugal ein riesiges Überseeimperium. Von diesem profitierte nicht nur Lissabon, sondern auch Hamburg. Denn Hamburger Kaufleute genossen in Portugal bedeutende Privilegien und Gewerbebetriebe in der Hansestadt zogen Nutzen aus deren Handel. Portugiesische Kaufleute, die sich in Hamburg niederließen, mussten dagegen Benachteiligungen hinnehmen, nachdem sie oft bereits in Lissabon von der Inquisition verfolgt worden waren.

Hamburger*innen greifen portugiesische Juden*Jüdinnen tätlich an 

In der deutschen Übersetzung des Protokollbuchs der portugiesisch-jüdischen Gemeinde in Hamburg ist für den 10. Januar 1666 folgender Eintrag verzeichnet: „Es wird ferner beschlossen, im Namen der Gemeinde dem Stadtkommandanten zwölf Brote vom besten Kandiszucker, der zu haben ist, nebst 40 Pfund vom besten weißen Puderzucker als Geschenk zu übersenden und ihm hierbei den Dank dafür auszusprechen, dass er dafür Sorge trug, seine Soldaten zu schicken, um den Pöbel zur Ruhe zu bringen. Gleichzeitig hofft man, dass er in künftigen Fällen, welche Gott verhüte, eher bereit sein wird, uns beizustehen“ [1].

Was war vorgefallen? Rund zwei Wochen zuvor war es in Hamburg bei der Beerdigung von Abraham Senior Teixeira zu antijüdischen Ausschreitungen gekommen. Dieser bedeutende portugiesische Kaufmann war 1581 in Lissabon als Diogo Teixeira geboren und katholisch getauft worden. Doch aufgrund seiner jüdischen Vorfahren geriet er ins Visier der Inquisition. Um sich in Sicherheit zu bringen, begab sich Teixeira zunächst nach Brasilien, führte seine Geschäfte aber seit 1613 vorwiegend von Antwerpen aus fort, wo er zudem lange Jahre als Konsul der portugiesischen Nation tätig war. Im Jahr 1646 ließ er sich schließlich in Hamburg nieder, von wo aus er gemeinsam mit seinem Sohn Manuel verschiedene adelige Höfe mit Luxusartikeln und Edelsteinen belieferte, aber auch Geld- und Wechselgeschäfte für sie abwickelte.

DIE PORTUGIESISCHE INQUISITION

Die portugiesische Inquisition wurde 1536 mittels einer päpstlichen Bulle gegründet. Ihr Ziel war die Bekämpfung von Häresien, das heißt von Lehren, die von der offiziellen Doktrin der katholischen Kirche abwichen. Sie verfügte über je ein Tribunal in Lissabon, Évora, Coimbra und Goa und führte im Laufe ihres knapp 300-jährigen Bestehens rund 45.000 Ermittlungs- und Strafprozesse durch (davon 32.000 in Portugal und 13.000 in Goa). Die mit Abstand größte Opfergruppe bildeten Neuchrist*innen, also zum Christentum übergetretene Juden*Jüdinnen und deren Nachfahr*innen. Sie wurden verdächtigt, das Judentum im Geheimen weiter zu praktizieren.

Andere Delikte, die die Inquisition verfolgte, waren die Befolgung der lutherischen oder anderer protestantischer Lehren, unerwünschte Verhaltensweisen wie „Unzucht“, Homosexualität oder Bigamie oder auch verbale Äußerungen wie Gotteslästerung oder die Leugnung der Jungfräulichkeit Marias. Die Inquisition wurde von einem Generalinquisitor und einem Rat geleitet und verfügte über zahlreiche Mitarbeiter, von denen viele Theologen und Kirchenrechtler waren. Die unterstützten die Inquisitoren als Laien, etwa bei der Festnahme von Verdächtigen, und übernahmen repräsentative Aufgaben.

Marcocci, Giuseppe / Paiva, José Pedro: História da Inquisição Portuguesa (1536-1821) , Esfera dos Livros, Lissabon, 2013.

Nach ihrer Abdankung ernannte Königin Christina von Schweden Diogo Teixeira 1655 zu ihrem Residenten in Hamburg. Als die Familie jedoch 1647 zum Judentum übertrat, rief dies bei den lutherischen Geistlichen in Hamburg ebenso wie beim Kaiser des Heiligen Römischen Reiches großen Unmut hervor. Nach dem Tod Diogo Teixeiras beschimpfte und belästigte ein wütender Mob die Trauergäste auf dem Weg zum portugiesisch-jüdischen Friedhof an der Königstraße in Altona (das damals noch nicht zu Hamburg gehörte); Kutschen wurden gewaltsam geöffnet und die darin befindlichen Personen mit Schneebällen und Schmutz beworfen. Daraufhin war der Stadtkommandant eingeschritten, wofür sich der Vorstand der portugiesisch-jüdischen Gemeinde nun mit einem Geschenk von Zucker bedanken wollte. Zugleich hoffte er, sich auch dessen zukünftige Unterstützung mit dem Zucker erkaufen zu können.

Grabsteine des Ehepaars Sara und Abraham Senior Teixeira, Jüdischer Friedhof Hamburg-Altona, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Foto: © Archiv Michael Studemund-Halévy

Auf der Flucht vor der Inquisition: Lissabonner Kaufleute in Hamburg

Der Vorgang zeigt, wie prekär die Stellung der Portugies*innen im 17. Jahrhundert in Hamburg war. Die ersten Portugies*innen waren gegen Ende des 16. Jahrhunderts in die Hansestadt gekommen. Kaum eine*r von ihnen dürfte Portugal freiwillig verlassen haben. Denn die meisten waren Nachfahr*innen von Juden*Jüdinnen und wurden als solche in ihrer Heimat von der Inquisition verdächtigt, dem Judentum heimlich weiter anzuhängen. Einige der später in Hamburg lebenden Portugies*innen waren selbst verhaftet, verhört und gefoltert worden, andere hatten Verwandte oder Freund*innen durch den Tod auf dem Scheiterhaufen verloren. Viele flohen und traten dann – wie die Teixeiras – im protestantischen Exil wirklich zum Judentum über. Die Vertreibung von Juden*Jüdinnen und Muslim*innen von der Iberischen Halbinsel im Zuge der christlichen Eroberung im Mittelalter, die massenhafte Zwangstaufe der Verbliebenen am Ende des 15. Jahrhunderts sowie die anschließende Verfolgung der Konvertit*innen und ihrer Nachfahr*innen können als erster Schritt des europäisch-christlichen Kolonialismus betrachtet werden. Denn dieser begann nicht erst mit der Überseeexpansion.

Vollstreckung eines Inquisitionsurteils durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, Terreiro do Paço, Lissabon. Unsignierter Kupferstich, wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert. Quelle: Biblioteca Nacional de Portugal.

Wie der Eintrag im Protokollbuch zeigt, waren die portugiesischen Juden*Jüdinnen auch in Hamburg nicht vor gewalttätigen Übergriffen sicher; abgesehen davon waren sie gegenüber den Hamburger Bürger*innen ohnehin rechtlich benachteiligt, nicht zuletzt im Wirtschaftsleben. Gleichwohl ermöglichte ihnen der Handel mit Waren aus Portugal und seinen Kolonien nicht nur das Überleben, sondern auch einen relativen Wohlstand und den Aufbau einer portugiesisch-jüdischen Gemeinde. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts, als die Gemeinde ihre größte Ausdehnung hatte, dürfte es rund 250 portugiesische Familien in der Hansestadt gegeben haben. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zogen jedoch viele von ihnen nach Amsterdam, London oder in die niederländische oder englische Karibik, wo die gesellschaftliche Toleranz größer und ihre Rechtsstellung günstiger war.

Auf der Suche nach Geschäftsmöglichkeiten: Hamburger Kaufleute in Lissabon

Die Portugiesen waren keineswegs die einzigen Kaufleute, die in Hamburg Waren aus den portugiesischen Kolonien einführten. Auch niederländische Kaufleute waren zumindest bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts äußerst aktiv auf der Handelsroute Lissabon-Hamburg, bevor sich schließlich die Hamburger Kaufleute selbst immer stärker durchsetzten. Genauso wie es portugiesische Kaufleute in Hamburg gab, ließen sich auch viele Hamburger Kaufleute in Lissabon nieder.

Diese Einwanderung begann spätestens mit der portugiesischen Überseeexpansion ab 1415, dem zweiten Schritt des europäischen Kolonialismus, und ist in größerem Ausmaß seit dem Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbar. Anders als die Portugiesen, die sich in Hamburg niederließen, verließen die Hamburger ihre Heimatstadt freiwillig, waren in Lissabon keinen besonderen Gefahren ausgesetzt und konnten jederzeit wieder nach Hamburg zurückkehren. Denn auch wenn die portugiesische Inquisition nominell gegen jede Art der Häresie (also von der katholischen Doktrin abweichende Lehrmeinung) vorgehen sollte, belangte sie in der Praxis nur äußerst selten Personen mit protestantischem Hintergrund.

Im Gegenteil, Hamburger Kaufleute und ihre Familien profitierten sogar von der Inquisition. Möglicherweise bezogen einige von ihnen die Wohnhäuser, welche die geflohenen Portugies*innen zurückgelassen hatten. Vor allem aber bekleideten sie als sogenannte Familiares immer wieder Ehrenämter der Inquisition, die ihnen in der portugiesischen Gesellschaft hohes Ansehen verschafften. Denn die in Lissabon lebenden Hamburger Kaufleute nahmen in der Regel den katholischen Glauben an; allein in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts konvertierten weit über 100 Hamburger Kaufleute und Kaufmannslehrlinge in Lissabon.

Dementsprechend fand auch ein wichtiger Teil des Soziallebens der in Lissabon lebenden Personen deutscher Herkunft im Rahmen einer katholischen Bruderschaft statt, der Bartholomäus-Bruderschaft in der Kirche São Julião. Dass der Konsul der Hansestädte oft zugleich ein führendes Mitglied dieser Bruderschaft war, weist auf ihre Bedeutung als Interessenverband für die Kaufleute hin.

bartholomäus-bruderschaft

Die Bartholomäus-Bruderschaft führt ihre Gründung auf den Ende des 13. Jahrhunderts in Lissabon ansässigen deutschen Holzkaufmann Michael Overstädt zurück. Spätestens seit Beginn der portugiesischen Überseeexpansion im 15. Jahrhundert lebten kontinuierlich deutsche Kaufleute und Handwerker in Lissabon. Viele von ihnen waren Mitglieder in der Bartholomäus-Bruderschaft, die in einer dem Heiligen gleichen Namens gewidmeten Kapelle in der Pfarrkirche São Julião untergebracht war. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts und während des größten Teils des 16. Jahrhunderts wurde die Bruderschaft von deutschen Artilleristen (bombardeiros) dominiert, welche die Portugiesen bei ihren Eroberungen in Übersee und ihren oftmals vernichtenden Kämpfen gegen die einheimischen Bevölkerungen mit ihrem Fachwissen über schwere Rohrwaffen tatkräftig unterstützten. In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts verloren die Artilleristen jedoch zunehmend an Bedeutung und Kaufleute begannen die Vorstandspositionen der Bruderschaft zu übernehmen. Bald scheinen Kaufleute sogar die Gesamtheit der Mitglieder gestellt zu haben. Bereits um die Wende zum 17. Jahrhundert kamen die meisten von ihnen aus Hamburg. Während die Mitglieder ursprünglich vor allem Geselligkeit unter Landsleuten und Beistand im Fall von Krankheit und Tod in der Bruderschaft gesucht hatten, wandelte sie sich im 17. Jahrhundert zu einer Lobbyorganisation für deutsche beziehungsweise hansische Kaufleute in Lissabon. In veränderter Form existiert die Bruderschaft bis heute.
Link zur Seite der Bruderschaft: https://www.bartolomeu.org/.
Schickert, Gerhard / Denk, Thomas (2010): Die Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon. Entstehung und Wirken, vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart. A Irmandade de São Bartolomeu dos Alemães em Lisboa. Origem e actividades, do final da Idade Média até à actualidade, Irmandade de São Bartolomeu dos Alemães: Estoril.

Hamburgs weißes Gold: Zucker aus Brasilien

Portugiesen, Niederländer und Hamburger begannen im späten 16. Jahrhundert große Mengen Zucker von Lissabon nach Hamburg einzuführen. Der eingangs zitierte Vorgang weist auf die hohe Wertschätzung hin, die Zucker im 17. Jahrhundert in Hamburg genoss. Das aus Zuckerrohr gewonnene Raffinat war ein noch relativ neuartiger Luxusartikel, dessen Genuss zu den Vorrechten des Adels und wohlhabender Einwohner*innen der Städte gehörte. Zucker diente der Prunkentfaltung und gab Feierlichkeiten den gebührenden Glanz. Machtträger*innen wurden kostspielige Geschenke aus Zucker gemacht, um sich ihrer Gunst zu versichern. So verehrte etwa der Hamburger Rat der Kaiserin in Wien im Jahr 1628 Zucker und Konfekt im Wert von 1.842 Mark, wie die Kämmereibücher der Stadt belegen [2].

Der in Hamburg eingeführte Zucker kam zunächst von den Inseln Madeira und São Tomé, die sich Portugal im Zuge seiner Vorstöße in den Atlantik angeeignet hatte, bald aber vor allem aus dem etwas später eroberten Brasilien. Dort wurde der Zucker auf großen Plantagen durch versklavte Menschen angebaut, welche die Portugiesen erst aus der indigenen Bevölkerung rekrutierten, dann aber in zunehmendem Maße aus Afrika holten. Bis zum zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts war Portugal weltweit führend im Zuckerhandel. Danach wurden die Niederlande, England und Frankreich zu starken Konkurrenten, da diese nun selbst Zuckerrohr in ihren Kolonien anbauten. In der Folge brach in diesen Ländern die Nachfrage nach brasilianischem Zucker stark ein – und Hamburg wurde als Absatzort für den über Portugal gehandelten Zucker immer wichtiger.

In Hamburg hatte sich relativ rasch eine zuckerverarbeitende Industrie etabliert, die den Rohzucker verfeinerte. Die ersten Zuckersiedereien waren Ende des 16. Jahrhunderts von eigewanderten Niederländern errichtet worden. Das Gewerbe dehnte sich aus und im 18. Jahrhundert waren schließlich zwischen 300 und 400 entsprechende Betriebe in Hamburg tätig. Sie versorgten das gesamte Reich sowie die übrigen Ostseeanrainer mit Zucker. Nur Amsterdam produzierte – einem Zeitzeugen zufolge – mehr Zucker als Hamburg. Der Handel mit und die Weiterverarbeitung von Zucker aus Brasilien trugen im 17. und 18. Jahrhundert erheblich zum Wohlstand der Hansestadt bei.

HAMBURGER ZUCKERGEWERBE

„Es mögen damals wohl an 8000 Menschen in Hamburg vom Zuckerhandel, Zuckersieden und den damit zusammenhängenden Gewerben gelebt haben. Da waren nicht nur die Kaufleute und die Zuckermakler, die den eigentlichen Zuckerhandel betrieben, die Sieder mit ihren Knechten und Leuten, die den Zucker raffinierten, die Krahnzieher, die Quartiersleute und Ewerführer, die die Ware brachten und holten; auch die Tischler verdienten ein schönes Stück Geld, indem sie das haltbare hellgelbe Holz, aus dem die riesigen Zuckerkosten gemacht waren, zu hübsch polierten Tischen, Schränken, Betten und anderen Mobilien verarbeiteten, die in Hamburg beliebt und fast in jedem Hausstande zu finden waren.

Da waren die Reepschläger, die viel Tauwerk für die großen Winden im Speicher und eine Menge feineres Bindegarn für die Kandisfabrikation zu liefern hatten; Küper, die Fässer und Formen banden, Töpfer, welche Hunderttausende von Formen und ‚Putten‘ brannten, - noch zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts existierten vier Fabriken solcher Formen am Stadtdeich, - Kalkbrenner, die den Kalk, und Schlachter, die das Ochsenblut zum Raffinieren bringen mußten; nicht zu gedenken der Kupferschmiede, welche die großen Siedekessel und Pfannen machten.“

Zitiert aus: Amsinck, Caesar: «Die hamburger Zuckerbäcker», in: Karl Koppmann (org.): Aus Hamburgs Vergangenheit. Kulturhistorische Bilder aus verschiedenen Jahrhunderten, vol. 2, 1, Voß, Hamburg, 1886 (Seiten 209-231, hier Seite 215).


Zuckerhutformen und Kupferkessel, die im kolonialen Brasilien in der Zuckerproduktion verwendet wurden. Hamburg war nicht nur einer der zentralen Abnehmer des brasilianischen Zuckers, sondern führte auch solche Kupferkessel nach Portugal aus, von wo aus sie unter anderem nach Brasilien gelangt sein dürften. Museu Museu da Cana, Pontal, Brasilien. Foto: Marco Aurélio Esparza. © Gemeinfrei (Creative Commons — Attribution-ShareAlike 3.0 Unported — CC BY-SA 3.0)

Der Zuckerbäcker in der Fabrik, kolorierter Kupferstich nach Christoph Suhr, Hamburgische Trachten, um 1820. Foto: © Hartmut Tessin

Weitere Handelswaren auf der Route Hamburg–Lissabon

Die Kaufleute führten noch viele andere Waren aus den portugiesischen Kolonien über Lissabon nach Hamburg ein. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren dies vor allem Gewürze, etwa Pfeffer, Zimt, Kardamom, Galgant, Kurkuma, Kumin, Safran und andere, oft nicht näher spezifizierte „Drogereien“. Sie waren äußerst kostbar und wurden aus Asien über die Kaproute nach Lissabon verschifft. Dazu kamen Farbhölzer, insbesondere Brasilholz, das zur Gewinnung eines roten Farbstoffes diente und in großen Mengen in der Hamburger Tuchfärberei verwendet wurde.

Weiterhin Tabak, der ebenfalls vor allem aus Brasilien kam und spätestens seit Beginn des 18. Jahrhunderts nach Zucker die zweite Stelle der über Lissabon eingeführten Waren einnahm. Relativ bedeutend war noch die Einfuhr von Walbarten, die wahrscheinlich aus dem Walfang vor der brasilianischen Küste stammten und unter anderem für die Herstellung von Korsettstäben und Reifen für Reifröcke verwendet wurden. 

Und schließlich kam seit den 1770er Jahren noch Tee hinzu. Aber Hamburg führte auch Waren nach Portugal aus, von denen viele für die Kolonien bestimmt waren. Zu den wichtigsten Exportgütern gehörten Getreide, Leinen, Waffen und Munition, Schiffbaumaterialien und Metallwaren wie zum Beispiel Kupferbecken.

Hamburg im frühen Kolonialismus

Bei diesem Handel hatten die Hamburger außerordentlich gute Karten. Denn Portugal brauchte dringend Abnehmer für die Waren aus den Kolonialgebieten, war zudem abhängig von den Getreideimporten, aber auch von den übrigen über Hamburg importierten Waren sowie immer wieder auch von Krediten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hafenstädten Westeuropas nahm Hamburg in vielen Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts eine neutrale Haltung ein und bot sich damit oft als bevorzugter Handelspartner für Portugal an.

All dies schlug sich in außergewöhnlich günstigen Zoll- und Handelsbestimmungen für die Hamburger und ihre Waren nieder. Zwei der erfolgreichsten Hamburger Kaufleute im Portugalhandel waren Peter bzw. Pedro Hasse und sein Sohn André. Peter Hasse wurde um 1620 in Hamburg geboren und zog mit rund 16 Jahren nach Lissabon, wo er zunächst bei einem deutschen Kaufmann in die Lehre ging. Später machte er sich selbstständig und übernahm schließlich auch Aufträge für die portugiesische Krone. Zusammen mit seinem in Lissabon geborenen Sohn André war er an der Ausrüstung der Flotte beteiligt, die zur Rückeroberung Nordostbrasiliens von den Niederländern in den 1650er Jahren eingesetzt wurde. Die Hasses gewährten dem König Kredit und besorgten Schiffe, Waffen und Pferde aus Nordeuropa (wahrscheinlich über Hamburg).

1671 machte der König André Hasse aufgrund seiner Verdienste für Portugal zum Christusritter und 1675 zum Familiar der Inquisition, 1691 erhob er ihn schließlich in den Adelsstand. Zudem erhielt Hasse ein Amt in der staatlichen Kammer für den Brasilienhandel, woraus ihm weitere Privilegien erwuchsen. Damit war die Familie innerhalb von zwei Generationen in die wirtschaftliche und politische Elite Portugals aufgestiegen und unmittelbar in die Kolonialverwaltung Brasiliens eingebunden.

Vergleicht man die Förderung und den Erfolg der Hasses und anderer Hamburger Kaufleute mit der diskriminierenden Behandlung, welche die portugiesischen Kaufleute jüdischer Herkunft zur gleichen Zeit erfuhren, so erscheint die Rolle Hamburgs im portugiesischen Kolonialhandel noch dominanter. In gewisser Weise handelt es sich um einen dritten Schritt des europäischen Kolonialismus, in dem auch Staatswesen wie Hamburg, die nicht über eigene Kolonien verfügten, von der wirtschaftlichen Ausbeutung der außereuropäischen Welt profitierten. Erst als das Deutsche Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts selbst Kolonien erwarb, wurde Hamburg auch zum unmittelbaren Nutznießer des Kolonialismus.

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fussnoten

[1] „Aus dem ältesten Protokollbuch der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde in Hamburg“, hg. u. übers. v.  Isaac Cassuto, in: Jahrbuch der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft, 11/1916 (S. 1-76, hier S. 1). 

[2] Friedrich Voigt (Hg.): Der Haushalt der Stadt Hamburg, 1601-1650 , Gräfe & Sillem, Hamburg, 1916 (S. 211). 

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BIbliografie

Poettering, Jorun (2013): Handel, Nation und Religion. Kaufleute zwischen Hamburg und Portugal im 17. Jahrhundert, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen. [In englischer Übersetzung: Poettering, Jorun (2019): Migrating Merchants. Trade, Nation, and Religion in Seventeenth-Century Hamburg and Portugal, De Gruyter Oldenbourg: Berlin.]
Petersson, Astrid (1998): Zuckersiedergewerbe und Zuckerhandel in Hamburg im Zeitraum von 1814 bis 1834. Entwicklung und Struktur zweier wichtiger Hamburger Wirtschaftszweige des vorindustriellen Zeitalters, Franz Steiner Verlag: Stuttgart.
Schneider, Jürgen / Krawehl, Otto-Ernst / Denzel, Markus A. (Hg.) (2001): Statistik des Hamburger seewärtigen Einfuhrhandels im 18. Jahrhundert. Nach den Admiralitäts- und Convoygeld-Einnahmebüchern, Scripta Mercaturae Verlag: St. Katharinen.





Zuletzt geändert am: 25/12/2024 19:47:29

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