Monumento aos Combatentes do Ultramar

© Rui Sérgio Afonso

Monumento aos Combatentes do Ultramar

Monumento aos Combatentes do Ultramar

Robert Stock
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Das Monumento aos Combatentes do Ultramar befindet sich im Stadtteil Santa Maria de Belém und in der Nachbarschaft zu nationalen Wahrzeichen, deren historische Bedeutung kritisch zu hinterfragen ist. In diesem urbanen Ensemble spiegeln sich Spannungen des Umgangs mit der Kolonialgeschichte. Das Monumento ehrt die in den Kolonialkriegen von 1961 bis 1974 gefallenen Soldaten. Seine Gestaltung legt einen unkritischen Umgang mit dem Erbe des Estado Novo und kolonialer Gewalt nahe.

Veteranenverbände gestalten ein Denkmal

Seit den 1980er Jahren setzten sich einige etablierte, rechtskonservative Veteranenverbände in Lissabon für die Errichtung eines Denkmals für die Soldaten ein, die 1961 bis 1974 in den afrikanischen Kolonien Portugals gekämpft hatten [1]. 1987 gründete sich eine Exekutivkommission zur Planung und Umsetzung des Denkmals, deren Vorsitz General Altino Magalhães, der damalige Präsident der Liga dos Combatentes übernahm. Der Generalstab der Armee und der damalige Verteidigungsminister Fernando Nogueira (PSD) unterstützten das Denkmalvorhaben.

Bereits zu dieser Zeit wurde das Vorhaben in der öffentlichen Diskussion teils kritisch gesehen. Duval Bettencourt Gomes, Mitglied der Associação dos Combatentes do Ultramar (Vereinigung der Übersee-Kombattanten) und Vorsitzender der Comissão Nacional em Memória dos Mortos no Esforço da Guerra Ultramarina (Nationale Kommission zum Gedenken an die Gefallenen des Überseekriegs) äußerte sich gegenüber der Zeitung O Jornal am 11.09.1987: „[…] die Toten dürfen nicht geächtet werden und niemand sollte sich dafür schämen müssen, seinen Militärdienst in den Kolonien absolviert zu haben. [...] das Denkmal richtet sich gegen niemanden, sondern steht für den Stolz und das Ansehen Portugals“ [2]. Der Artikel in O Jornal verband das Denkmal-Projekt mit der „Rückkehr eines gewissen Nationalismus“ [3]. Das Denkmalvorhaben würde die Rhetorik des Estado Novo und dessen Begriff der „Übersee-Provinzen“ übernehmen. Gleichzeitig schloss das Denkmalprojekt bestimmte Sichtweisen aus: Einige Vereinigungen konnten sich nicht an den Planungen beteiligen, wie die Tageszeitung Público später berichtete [4]. Dazu gehörte u.a. der Veteranenverband Associação 25 de Abril (Vereinigung 25. April), dessen Mitglieder sich aktiv an der Revolution und dem Sturz des autoritären Regimes beteiligt hatten.

1987 autorisierten die portugiesische Armee und die Stadt Lissabon die Erbauung des Denkmals im Forte do Bom Sucesso. Finanziell wurde das Projekt durch das Verteidigungsministerium und dessen Zuschuss in Höhe von umgerechnet 250.000 Euro (50.000 Contos) ermöglicht [5]. Nach einer Ausschreibung 1991 wählte das Exekutiv-Komitee den Entwurf des Architekten Guedes de Carvalho aus, bei dem ein großes Dreieck inmitten einer rechteckigen Wasserfläche Platz fand. Die geometrische Gestaltung verweist auf die ehemaligen Kolonien Angola, Guinea-Bissau und Mosambik, in denen sich die Kriege ereignet hatten. Das Denkmal, so die Beschreibung des Entwurfs, beabsichtige „zur ausnahmslosen und vorurteilsfreien Vereinigung aller am Übersee-Krieg beteiligten Völker beizutragen” [6]. Doch sollte sich dieser Anspruch nicht erfüllen, denn schon die ehemaligen portugiesischen Soldaten selbst stellten sich als gespaltene Gruppe heraus.

Streit um die Eröffnung des Denkmals

Am 15. Januar 1994 wurde das Denkmal der Übersee-Kombattanten unter kontroversen Diskussionen eingeweiht. Die Polemik entzündete sich an der Anwesenheit des damaligen Staatspräsidenten Mário Soares. Soares war einer der wichtigen Akteur*innen des politischen Umbruchs 1974 und Symbolfigur der Opposition gegen das Salazar-Regime. Mehrere Veteranenorganisationen der Denkmal-Initiative hatten im Vorfeld seinen Ausschluss von der Eröffnung gefordert. Sie beschuldigten ihn, für den „tragischen Prozess der Dekolonisation“ [7] verantwortlich zu sein. Er gehöre zu jenen Politikern, die die Machtübergabe an die Unabhängigkeitsbewegungen in „falscher“ Weise vollzogen hätten.

Auch linke Veteranenverbände kritisierten Soares für dessen Teilnahme. Der Präsident der Associação 25 de Abril, Vasco Lourenço, nahm nicht an der Eröffnungszeremonie teil. Er erhob in der Wochenzeitschrift O Expresso vom 15.01.1994 den Vorwurf, dass das Denkmal die Geschichte verfälschen würde. Das Denkmal vermittele „[…] ein rückwärtsschauendes, nostalgisches [Bild], das mehr danach sucht, den Kolonialkrieg und die Sturheit derjenigen, die den Krieg anordneten, […] [zu legitimieren], als dass es der Selbstaufopferung, der Courage und dem Patriotismus derjenigen gedenkt, die kämpften und litten, die mit Verletzungen und bleibenden Schäden zurückkehrten oder ihr Leben ließen.“ [8]

In seiner Rede bei der Zeremonie beschrieb General Magalhães das Denkmal als ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber den Soldaten, die in „Übersee“ gekämpft hatten [9]. Auch der damalige Verteidigungsminister, Fernando Nogueira (PSD) hob das Gedenken an die gefallenen Soldaten hervor. Er betonte dabei, dass „weder einem Regime, einem Krieg, noch einer Epoche” [10] gedacht würde. Entgegen dieser entpolitisierenden Bemerkungen äußerte Soares hingegen Zweifel daran, dass die portugiesischen Soldaten eine homogene Gruppe gewesen seien. Ihm zufolge war das Denkmal „denjenigen gewidmet, die in Übersee starben, und zwar unabhängig von ihren Überzeugungen, denn viele von denjenigen, die ihr Leben für das Vaterland ließen, waren nicht mit der Kolonialpolitik des alten Regimes einverstanden“ [11]. Viele der anwesenden Veteranen empfanden Soares‘ Rede als Affront, pfiffen den Präsidenten aus und beschimpften ihn als „Verräter“ [12].

Veränderungen des Denkmals

Nach der turbulenten Eröffnung beruhigte sich die öffentliche Diskussion um das Denkmal. Im Jahr 2000 erfuhr das Monumento dann eine bedeutsame Erweiterung durch Gedenktafeln [13]. General Baltazar Morais Barroco, der damalige Präsident der Liga dos Combatentes sah die Veränderung als notwendig an, um die Gedenkstätte zu „humanisieren“. Das monumentale Dreieck inmitten der Wasserfläche wird nun von drei Seiten durch steinerne Wände eingerahmt, auf denen die Namen gefallener Soldaten zu lesen sind. Es handelt sich um die ca. 9.500 Soldaten der portugiesischen Streitkräfte, die in den Kolonialkriegen starben. Die Erweiterung wurde in Zusammenarbeit mit den Organisationen Associação 25 de Abril und Associação de Apoio aos Ex-combatentes, Vítimas do Stress de Guerra (APOIAR, Organisation zur Unterstützung von ehemaligen Soldaten, Opfern von Kriegstraumata) umgesetzt. Mit den Namenstafeln sollen die Angehörigen der verstorbenen Soldaten sowie auch deren Freund*innen direkt angesprochen werden. Besucher*innen des Denkmals können dort den Namen des Sohnes oder Ehemanns ausfindig machen. Die abstrakte, monumentalisierende Form des Gedenkens erfährt so eine Konkretisierung und Individualisierung. Dies erscheint auch deshalb wichtig, weil ein Teil der Verstorbenen direkt am Ort der Kampfhandlungen beigesetzt wurde. Insofern bietet das Denkmal-Ensemble auch Raum für individuelle Trauer- und Erinnerungspraktiken der Hinterbliebenen. [14]

Offizielle Zeremonien der Verbände finden regelmäßig am 10. Juni zum Dia de Portugal, de Camões e das Comunidades Portuguesas (Tag von Portugal, Camões und den portugiesischen Gemeinden) statt. Dieser Feiertag wurde in Zeiten des autoritären Regimes als Dia da Raça (Tag der Rasse) begangen, wobei auf dem zentralen Platz Terreiro do Paço in der Stadtmitte seit 1961 Militärangehörige für ihre Verdienste in den Kolonialkriegen ausgezeichnet wurden oder Angehörige gefallener Soldaten deren posthume Ehrungen entgegennahmen [15]. Der Name des Feiertags hat sich zwar geändert, doch zeigt sich eine gewisse Kontinuität und Nähe der Aktivitäten am Denkmal sowie maßgeblicher Veteranenverbände zu rechtskonservativen, saudosistischen Akteur*innen. So lässt das Denkmal trotz der Namenstafeln und individuell praktizierten Erinnerungsarbeit in seiner Repräsentation die Opfer der Unabhängigkeitsbewegungen und Zivilbevölkerungen in den damaligen afrikanischen Kolonien außer Acht. Während den Angehörigen der portugiesischen Streitkräfte gedacht wird, fehlt bislang ein Gedenkort, der die ehemaligen Unabhängigkeitskämpfer würdigt. 

Das Erbe des „Überseekriegs“ und die aktuelle Debatte der Dekolonisierung

Das Monumento aos Combatentes do Ultramar ist auf Grund seiner exponierten Lage in Belém und seines Anspruchs, ein nationales Denkmal zu sein, ein wichtiges Beispiel für die Aktivitäten der Veteranenverbände in Portugal. Doch es ist nur ein Beispiel von vielen, wie das Buch Monumentos aos Combatentes da Grande Guerra e do Ultramar zeigt [16]. Seit einigen Jahren wurden vielerorts ähnliche Denkmäler für die Gefallenen des „Überseekriegs“ errichtet bzw. saniert (z.B. in Coimbra und Porto) und teils kontroverse Diskussionen über sie geführt [17]. In diesem Zusammenhang wird in der Gesellschaft Kritik hinsichtlich der Aufarbeitung der kolonialgeschichtlichen Rolle Portugals geäußert und Forderungen nach einer Dekolonisierung des öffentlichen Raums artikuliert. So wurde etwa 2020, als es in einigen Ländern aufgrund antirassistischer Black-Lives-Matter-Initiativen zu Denkmalstürzen kam, in Coimbra das Monumento aos Heróis do Ultramar von Aktivist*innen beschädigt und das Wort Helden durch „Mörder“ [18] ersetzt. Das Erbe des Salazar-Regimes und die Nachwirkungen der Dekolonisierung sind bis in die Gegenwart zu spüren und müssen nunmehr durch die portugiesische Gesellschaft kritisch aufgearbeitet werden. Angesichts einer heterogenen Bevölkerung und vieler afro-portugiesischer Migrant*innen, die auch aus den ehemaligen Kolonien kommen, ist dies keine leichte, aber wichtige Aufgabe. Diese Debatten werden sich als zentral erweisen, wenn es darum geht, Portugals Platz in der Gegenwart – und auch in einem demokratischen und postkolonialen Europa – auszuhandeln.

Übersee-Krieg, Kolonialkrieg und Befreiungskampf

Mit dem Begriff „Übersee-Krieg“ ist eine Perspektive verbunden, die vom offiziellen Diskurs des autoritären Estado Novo informiert ist. Seit der Verfassungsänderung von 1951 und angesichts der antikolonialen Haltung der Vereinten Nationen wurde das Kolonialreich als „plurikontinentale Nation“ mit „Überseeprovinzen“ begriffen, das juristisch gesehen über keine Kolonien herrschte [19].  Verhandlungsangebote der angolanischen, guineischen und mosambikanischen Unabhängigkeitsbewegungen wurden auf dieser Basis von der starren Politik des Salazar-Regimes zurückgewiesen. Infolgedessen begannen verschiedene Bewegungen in den portugiesischen Kolonien ab 1961 den „Kampf der nationalen Befreiung“, um ihre Forderungen nach politischer Unabhängigkeit durchzusetzen. Während der 1960er Jahre stellten Salazar und Caetano die Kriege in den Kolonien als legitimen Kampf für den Erhalt der nationalen Einheit dar. Dagegen sprachen Oppositionelle des Regimes nach der Revolution von 1974 und dem Ende der Zensur öffentlich von einem „ungerechten“ Krieg. Die Bezeichnung „Kolonialkrieg“ rückte nunmehr die repressive Struktur des Kolonialismus in den Vordergrund, mit der die Bevölkerung in den afrikanischen Ländern konfrontiert war. Kritiker*innen der Kolonialpolitik wiesen folglich das Ideal der „plurikontinentalen“ Nation zurück, wie sie vom Estado Novo propagiert worden war. Die verschiedenen Begrifflichkeiten, mit denen die konfliktreiche Phase der Dekolonisation in Portugal verbunden wird, sind folglich in hohem Maße politisch aufgeladen und geben bis in die Gegenwart Anlass zur Diskussion [20].

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Notas

[1] Als Überblick Peralta 2014; Sapega 2008; Stock 2013

[2] “os mortos não devem ser desprezados e ninguém deve ter vergonha de ter cumprido o serviço militar nas colónias […] o monumento não é contra ninguém, mas a favor do orgulho e do prestígio de Portugal” O Jornal 11.09.1987

[3] „regresso de um certo nacionalismo“ O Jornal am 11.09.1987

[4] Público 16.01.1994

[5] Magalhães 2007, S. 32

[6]  “poder contribuir para a unificação de todos os povos envolvidos na Guerra do Ultramar, sem constrangimentos nem ressentimentos” Magalhães 2007: 42

[7]  „trágico processo de descolonização“ Expresso 15.01.1994

[8] “A imagem que se pretendeu e vem conseguindo criar é a de um monumento passadista, saudosista que procura mais justificar a guerra colonial e a teimosia que a impuseram do que a abnegação, a valentia e o patriotismo dos que a fizeram e a sofreram, se deficientaram ou perderam a vida.” Expresso 15.01.1994

[9] Magalhães 2007: 101

[10] „não se estava a prestar homenagem a um regime, a uma guerra ou a uma época“ Público 16.01.1994

[11] „Para aqueles que morreram no Ultramar, independentemente das suas convicções, porque muitos daqueles que morreram no Ultramar ao serviço da Pátria não concordavam com a política colonial do antigo regime.“ Zit. in Magalhaes 2007, S. 117

[12] Expresso 16.01.1994

[13] Público 10.06.1999; Expresso 12.02.2000

[14] Peralta 2014

[15] Ribeiro 1999, S. 11

[16] Porteira und Martins 2018

[17] Esquerda 21.02.2021, https://www.esquerda.net/opiniao/por-pedras-nos-assuntos-camara-do-porto-e-o-monumento-ao-ultramar/72909

[18] „assassinos“ Expresso 30.09.2020, https://expresso.pt/sociedade/2020-09-30-Monumento-aos-Herois-do-Ultramar-vandalizado-em-Coimbra--e-a-cabeca-da-estatua-de-Baden-Powell-ja-foi-recuperada-

[19] Léonard 2000

[20] Als Überblick Pinto 2001

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BibliografiA

Altino Magalhães, General (2007): Monumento aos Combatentes do Ultramar (1961-1974). Lisboa: Europress.

Léonard, Yves (2000): “O Ultramar português”, in: Francisco Bethencourt, Kirti Chaudhuri, and João de Pina de Cabral (Hrsg.), História da expansão portuguesa. Vol. 5. Último império e recentramento (1930-1998). Lisboa: Temas e Debates e Autores 2000, S. 31-50.

Peralta, Elsa (2014): “O Monumento aos Combatentes do Ultramar: A Performance do Império no espaço sagrado da nação”, in: Godinho, Paula (Hrsg.), Antropologia e performance: Agir, atuar, exibir. Castro Verde: 1001uz 2014, S. 213-236.

Pinto, António Costa (2001): O fim do império portugués. A cena internacional, a guerra colonial, e a descolonização 1961-1975. Lisboa: Livros Horizonte.

Porteira, António; Martins, Jorge (Hg.) (2018): Monumentos aos Combatentes da Grande Guerra e do Ultramar. 2ª Edição. Lisboa: Liga dos Combatentes.

Ribeiro, Jorge (1999): Marcas da Guerra Colonial. Porto: Campo das Letras.

Sapega, Ellen W.: “Remembering empire/Forgetting the colonies: Accretions of memory and the limits of commemoration in a Lisbon neighborhood”, in: History and Memory, 20.2/2008, S. 18-38.

Stock, Robert: “Urbane Erinnerungspolitik und Dekolonisierung: Das Denkmal der Übersee-Kombattanten in Lissabon” [Política de memória urbana: O Monumento dos Combatentes do Ultramar, em Lisboa], Berliner Debatte Initial, 24.2/2013, págs. 48-58.

Zuletzt geändert am: 23/11/2024 20:57:40

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