Hamburger Komitee

© Nicole Benewaah Gehle 2021

Hamburger Komitee

Eine kommunistische Gewerkschaftsorganisation Schwarzer Aktivist*innen in den 1920er und 1930er Jahren

Gisela Ewe
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Das Hamburger Komitee war eine kommunistische Gewerkschaftsorganisation Schwarzer Aktivist*innen, die Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre den Versuch unternahmen, die Aktivitäten der Befreiungsbewegungen in afrikanischen Ländern, der Afro-Amerikaner*innen und Schwarzer Menschen in Europa zusammenzubringen, zu koordinieren und zu radikalisieren. 

Im Jahr 1921 hatte die Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI) begonnen, weltweit Internationale Seemannsclubs, genannt Interclubs, einzurichten, die als Anlaufstelle und Orte der kommunistischen Agitation dienen sollten. Der in den 1920er Jahren gegründete Hamburger Interclub - mit 30 000 Besucher*innen jährlich einer der größten der Welt - befand sich in der Rothesoodstraße 8 [1]. Auch das Port Bureau oder Hafenbüro der 1930 gegründeten Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) befand sich an dieser Adresse. Das Hafenbüro war daher auch als Standort des Hamburger Komitees besonders gut geeignet, um das Versenden von illegaler Post und kommunistischen Veröffentlichungen wie der Zeitschrift The Negro Worker (1928) zu organisieren. An diesem Ort, zentral in der Stadt und in unmittelbarer Hafennähe gelegen, trafen also tagtäglich Seeleute aus aller Welt auf Arbeiter*innen aus Hamburg sowie Kader der Komintern. Sie tauschten sich über ihre Erfahrungen und Strategien aus und versuchten, den Kampf gegen Ausbeutung, koloniale Unterdrückung und für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zusammenzubringen.

Titelblatt „The Negro Worker” Vol 1, No 2, August-September 1928. Quelle: https://archive.org/details/10TheNegroWorker.OnTheFifthCongressOfTheR.I.L.U.SpecialNumber1stNovember1930Foto: © unbekannt

Antikoloniale Agitation in der Kommunistischen Internationale

Schon seit Beginn der Oktoberrevolution wurde die Frage des Kolonialismus in Russland diskutiert, verstärkt noch einmal nach Gründung der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1919. In den 1920er Jahren war in den Reihen der RGI und der Komintern der Bereich der Mobilisierung unter Schwarzen Arbeiter*innen mit Hilfe verschiedener Untergruppen und -sektionen weiter ausgebaut worden. Die internationale Revolution war schließlich auf die Beteiligung der kolonisierten Länder angewiesen und es galt, auch im Namen des Kommunismus gegen die Unterdrückung und Kolonisierung der Bevölkerungen in Asien und Afrika zu kämpfen. 

Unter Federführung des afroamerikanischen Aktivisten James W. Ford wurde 1930 zu einer Gründungskonferenz des Gewerkschaftskomitees (Selbstbezeichnung: International Trade Union Committee of Negro Workers) eingeladen. George Padmore, der später als Vordenker des Panafrikanismus bekannt wurde, war ebenso wie das afroamerikanische kommunistische Ehepaar Otto und Hermina Dumont Huiswoud maßgeblich an der Vorbereitung der Konferenz beteiligt. Trotz mangelnder Unterstützung der nationalen kommunistischen Parteien in Westeuropa gelang es ihnen, eine Konferenz auf die Beine zu stellen, in der die Lebens- und Arbeitsbedingungen Schwarzer Arbeiter*innen weltweit im Zentrum standen.

George Padmore. Foto: © unbekannt

Gründungskonferenz des Hamburger Komitees 
Am 7. Juli 1930 wurde die Konferenz schließlich in Hamburg in den Räumen der ISH eröffnet. Der im Nachhinein veröffentliche Konferenzbericht Report and Proceedings and Decisions of the First International Conference of Negro Workers zeigt ein Foto der anwesenden Delegierten und einige der dort gehaltenen Reden. Insgesamt waren vermutlich 17 Teilnehmer*innen aus dem Ausland angereist sowie drei „Bruderdelegierte“ aus Deutschland [2]: E.F. Small aus Gambia, E.A. Richards aus Sierra Leone, Frank Macaulay aus Nigeria, T.S. Morton und J.A. Akrong aus der Kolonie Goldküste (heutiges Ghana). Außerdem der weiße Emil Solomon Sachs alias Albert Green aus Südafrika und der Deutsch-Kameruner Joseph Bilé, der die deutsche Sektion der Ligue de la Défense de la Race Nègre (LDRN) vertrat. Aus den USA kamen Harold Williams, J.A. Roberts, Isaac Hawkins, Walter Lewis und Comrade Murphy. Auch Ford und der Komintern-Funktionär William L. Patterson wurden als US-amerikanische Vertreter gezählt. Viendranath Chattopadhyaya, Sekretär der Liga gegen Imperialismus, und Willi Budich, Vertreter der Internationalen Roten Hilfe, waren aus Berlin angereist und wurden ebenso wie ein Vertreter des Seemannsklubs, dessen Identität unklar ist, als „Bruderdelegierte“ betrachtet. 
Die Tatsache, dass die Konferenz tatsächlich stattfinden und Schwarze Aktivist*innen aus ganz verschiedenen Kontinenten zusammenbringen konnte, ist nach wie vor bemerkenswert. Es gab in den folgenden Jahren zwar zahlreiche Begegnungen des hier gegründeten Netzwerks, doch ein derart großes und internationales Zusammentreffen konnte nicht wiederholt werden – zu groß war die staatliche Repression der europäischen Mächte, zu schmal die finanziellen Ressourcen der Aktivist*innen und zu drängend der Abwehrkampf gegen den erstarkenden Faschismus.
Das Hamburger Komitee 1930-1933 
Das Hamburger Komitee nahm 1930 unter der Leitung von James W. Ford seinen Hauptsitz in Hamburg auf, stets in enger Absprache mit den Funktionären in Moskau. Es koordinierte kommunistische und antikoloniale Aktivist*innen weltweit, hier wurden Flugblätter, Broschüren und die Zeitschrift The Negro Worker produziert und gedruckt und auf heimlichem Wege über den Hafen in aller Welt verteilt. Die im Zusammenhang mit der Gründungskonferenz geschaffenen internationalen Kontakte wurden in den folgenden Jahren für die Verbreitung antikolonialer Inhalte in die kolonisierten Länder genutzt. Die enge Kooperation mit den anderen Organisationen im Hafenbüro in der Rothesoodstraße ermöglichte zwar die Nutzung bestehender Infrastruktur, führte aber gleichzeitig auch zu Konkurrenz um die vorhandenen Ressourcen untereinander.
1931 wechselte Padmore von Moskau nach Hamburg, übernahm die Leitung des Hamburger Komitees und blieb dort bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, wurde Padmore umgehend verhaftet und nach England abgeschoben, das Büro des Gewerkschaftskomitees von der SA gestürmt und zwei Wochen später das gesamte Hafenbüro geschlossen. Das Internationale Gewerkschaftskomitee arbeitete weiter aus verschiedenen europäischen Ländern, bis es 1938 vom Exekutivkomitee der Komintern aufgelöst wurde.  
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fussnoten

[1] Vgl. Nelles, Dieter, „Jan Valtins 'Tagebuch der Hölle' - Legende und Wirklichkeit eines Schlüsselromans der Totalitarismustheorie.“ Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 9, Nr. 1 (1994): 11–45, hier: S. 17.

[2] Über die genaue Anzahl an Teilnehmer*innen existieren verschiedene Angaben. Im offiziellen Konferenzbericht, dem Report of Proceedings and Decisions of the First International Conference of Negro Workers werden 17 Delegierte sowie drei Bruderdelegierte angegeben.

Zuletzt geändert am: 25/11/2024 00:14:48