Fábrica Braço de Prata

© Arquivo Municipal de Lisboa, SPT000196

Schiffswerft Blohm+Voss

© Alexander Sölch (Aliosos), Blohm + Voss

Fábrica Braço de Prata

Schiffswerft Blohm+Voss

Von Gewehren, Schiffen und guten Beziehungen. Die militärische Kooperation zwischen Portugal und der BRD während der Dekolonisierungskriege

Nils Schliehe
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Für die Dekolonisierungskriege in Afrika benötigte Portugal modernes Kriegsmaterial und fand dafür einen wichtigen Partner in der Bundesrepublik Deutschland. Zwischen beiden Staaten entwickelte sich eine enge militärische Kooperation, die dieser Artikel anhand von zwei Erinnerungsorten betrachtet: Der Hamburger Schiffswerft Blohm+Voss und der Fábrica Militar Braço de Prata in Lissabon.

Nach dem Ausbruch der Befreiungskämpfe in Angola, Guinea und Mosambik sah sich das Estado Novo-Regime Mitte der 1960er Jahre mit drei Guerilla-Kriegen in Afrika konfrontiert. Während die afrikanischen Befreiungsbewegungen für die Unabhängigkeit kämpften, schickte die Lissabonner Regierung Truppen nach Afrika und rekrutierte Soldaten vor Ort, um den Kolonialbesitz zu verteidigen. Um die Kriege gegen die Guerilla-Kämpfer führen zu können, brauchte das politisch und wirtschaftlich isolierte Portugal dringend modernes Kriegsmaterial. Die Regierung in Lissabon suchte Hilfe bei ihren westlichen Verbündeten in den USA, Frankreich und Großbritannien. Fündig wurde Portugal aber besonders in der Bundesrepublik Deutschland.

estado novo

Der Estado Novo war die konservativ-autoritäre Diktatur, die unter Leitung von António de Oliveira Salazar ab Beginn der 1930er Jahre in Portugal installiert wurde. Erst im Zuge der Dekolonisierungskriege in Afrika kam es 1974 zur Nelkenrevolution, einem Militärputsch, der die Diktatur in Portugal beendete.

NATO-Verbündete und die Dekolonisierung

Dem Diktator António Salazar war es durch eine neutrale Pendelpolitik im Zweiten Weltkrieg gelungen, Portugal zu einem der Gründungsmitglieder der NATO zu machen. Als die Bundesrepublik 1955 ebenfalls der NATO beitrat, waren die beiden Staaten damit formal militärische Verbündete. Bereits vor Ausbruch der Kriege in den Kolonien suchte Portugal Ende der 1950er Jahre Hilfe, um seine Armee und Rüstungsindustrie zu modernisieren. Die westdeutsche Regierung in Bonn plante zeitgleich einen Militärstützpunkt im Ausland anzulegen, der im Fall eines Krieges außerhalb der sowjetischen Reichweite lag. Portugal war dafür geradezu prädestiniert. Im Austausch für Rüstungsgüter und die Technologie zur Herstellung moderner Waffen genehmigte Lissabon der Bundesrepublik, nahe zu Beja im Alentejo einen Militärflughafen aufzubauen. Anfang der 1960er Jahre entstand so eine enge militärische Kooperation zwischen beiden Staaten. Davon profitierte besonders die portugiesische Armee, die in den folgenden Jahren in Angola, Mosambik und Guinea in blutigen Guerillakriegen mit modernen Waffen kämpfte. Die Bundesrepublik wurde zu einem der wichtigsten Lieferanten von Rüstungsmaterial und half damit Portugal, die militärischen Kapazitäten aufzubauen, die nötig waren, um die Kriege in Afrika führen zu können. Bis heute erinnern zwei prominente Orte in Hamburg und Lissabon an diese militärische Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Dekolonisierungskriege.

Deutsche Waffentechnik produziert in Lissabon

Durch die NATO-Allianz begannen portugiesische Waffenfabriken ab Ende der 1950er Jahre, Munition für verbündete Streitkräfte herzustellen. Dafür erhielten die Betriebe moderne Maschinen und das nötige Know-How – auch aus Westdeutschland. Ein zentraler Produktionsort lag im Nordosten Lissabons. Im Stadtteil Marvila, günstig gelegen zwischen dem Tejo-Ufer und der Bahnstrecke nach Porto, wurde hier bereits zwischen 1904 und 1908 eine Fabrik zur Herstellung von Kriegsmaterial errichtet. Seit 1911 war sie unter dem Namen Fábrica Militar Braço de Prata bekannt, meist abgekürzt als Fábrica Braço de Prata. Durch die militärische Kooperation mit Westdeutschland und anderen NATO-Verbündeten wurde die Fabrik in den 1950er Jahren modernisiert und erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung.

Luftaufnahme der Militärfabrik Braço de Prata, 1950. © Arquivo Municipal de Lisboa, SPT000196

Anfang der 1960er Jahre wurde die Fábrica Braço de Prata zu einem wichtigen Standort der deutsch-portugiesischen Rüstungskooperation. 1962 begann hier die Lizenzproduktion des westdeutschen Schnellfeuergewehres G3, in Portugal auch bekannt unter der Bezeichnung Espingarda G3 m/961. Der Hersteller Heckler & Koch lieferte der portugiesischen Regierung gegen eine Gebühr die nötigen Pläne, Maschinen und Bauteile. 1965 wurde das G3 zur Standardwaffe der portugiesischen Armee, die mittlerweile über 150.000 Stück verfügte. Insgesamt wurden zwischen 1962 und dem Ende der Dekolonisierungskriege 1974 298.395 G3-Gewehre in der Fábrica Braço de Prata hergestellt. Die portugiesische Armee setzte sie großflächig in den Kriegen in den Kolonien ein. Aufgrund der großen Bedeutung des Gewehrs für das Militär bezeichnete es der Historiker José Telo als „die Waffe, die den Krieg in Afrika führte“ (Telo 1994, S. 363).

Die Gewehrproduktion in der Fábrica Braço de Prata war trotz des Technologietransfers auf die Kooperation mit Westdeutschland angewiesen. Bis 1967 wurden zwar 84 Prozent der Bauteile vor Ort hergestellt, die Produktion einiger Kleinteile wäre in der Fábrica Braço de Prata jedoch nicht wirtschaftlich gewesen, weshalb sie weiterhin aus der Bundesrepublik geliefert wurden. Da im In- und Ausland heftige Kritik an der militärischen Zusammenarbeit mit Portugal geäußert wurde zögerte die westdeutsche Regierung Anfang der 1970er Jahre, die benötigten Teile an die Fábrica Braço de Prata freizugeben. Um die guten Beziehungen mit Lissabon und die lukrativen Geschäfte aufrecht zu erhalten, wurde der Export letztendlich aber doch genehmigt.

Während des Dekolonisierungskrieges wurden in der Fábrica Braço de Prata nicht nur mit deutscher Lizenz Gewehre gefertigt, sondern auch andere Rüstungsgüter für die Kriege in den Kolonien produziert. Auch nach dem Ende der Dekolonisierungskriege ging die Herstellung von Kriegsmaterial im Nordosten Lissabons weiter. 1998 wurde die Fabrik endgültig stillgelegt und geschlossen. Seit 2007 hat die Fábrica Braço de Prata einen friedlichen Zweck. Die ehemalige Waffenfabrik ist nun ein Kunst- und Kulturzentrum.

Hamburger Kriegsschiffe für Portugal

Neben der Anleitung zur Herstellung von Waffen lieferten die Regierung der Bundesrepublik und westdeutsche Rüstungsunternehmen auch andere dringend benötigte Materialien an das portugiesische Militär. Aus den Beständen der Bundeswehr wurden Flugzeuge geliefert, die von der portugiesischen Luftwaffe in den Kolonien eingesetzt wurden. Auch westdeutsche LKW – vor allem der Marke Unimog von Mercedes Benz – wurden an das portugiesische Militär verkauft und in Afrika benutzt. Tausende dieser Fahrzeuge transportierten portugiesische Soldaten im unwegsamen Gelände von Angola, Guinea und Mosambik. Von den Truppen wurden sie liebevoll als Burro do Mato (Busch-Esel) bezeichnet.
Eines der größten Rüstungsgeschäfte war der Bau von Kriegsschiffen für die portugiesische Marine in Hamburg. Die Werft Blohm+Voss liegt am Südufer der Norderelbe gegenüber den St. Pauli Landungsbrücken und ist eines der Wahrzeichen des Hamburger Hafens. Im April 1968 erhielt das Traditionsunternehmen den Auftrag, drei Korvetten nach den Plänen eines portugiesischen Schiffskonstrukteurs zu bauen. 

Werftgelände von Blohm + Voss 2009 © Gemeinfrei, CC BY-SA 3.0. Foto: Alexander Sölch (Aliosos), Blohm + Voss

Die Kriegsschiffe waren speziell für den Einsatz in den Kolonien entworfen worden. Portugal bezahlte 47,8 Millionen Deutsche Mark für die Korvetten, die bis dato größten Kriegsschiffe, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gebaut wurden. Gegen das Geschäft wurde international und lokal heftig protestiert. Die angolanische Befreiungsbewegung MPLA wies Blohm+Voss in einem offenen Brief auf die Bedeutung des Geschäfts für die Menschen in Angola hin. Studierende der Hamburger Universität protestierten und auch einige Arbeiter der Werft äußerten Kritik an dem Projekt, woraufhin sie entlassen wurden.

MPLA

Die Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA, Volksbewegung zur Befreiung Angolas) kämpfte in Angola gegen die portugiesische Kolonialherrschaft. Nach der Unabhängigkeit konnte sich die MPLA trotz eines jahrzehntelangen Bürgerkrieges als Regierung Angolas konsolidieren, die sie bis heute stellt.

Offener Brief der MPLA an Blohm+Voss April 1969 © Archiv der Universität Hamburg

Zum Höhepunkt des Widerstands gegen den Bau der Kriegsschiffe in Hamburg kam es im Oktober 1969, als eine Explosion den Rumpf der ersten fast fertig gestellten Korvette mit dem Namen João Coutinho erschütterte. Hamburger Aktivisten hatten mithilfe portugiesischer Oppositioneller Kontakt zur MPLA aufgenommen. Entschlossen, etwas gegen die westdeutsche Unterstützung des Kolonialkriegs in Angola zu unternehmen, platzierten sie den von der MPLA bereitgestellten Sprengstoff an dem Schiff, das am Ausrüstungskai der Werft lag. 

Die Korvette João Cutinho nach dem Bombenanschlag im Oktober 1969 © Conti-Press / Staatsarchiv Hamburg

Bei der Explosion am Morgen des 13. Oktober 1969 wurde niemand verletzt. Auch die João Coutinho wurde zwar nur leicht beschädigt, aber die Auslieferung verzögerte sich um einige Monate. Wie zu erwarten wurde das Schiff ab Mai 1970 zunächst in Angola und später in Mosambik im Krieg eingesetzt. Auch die beiden anderen in Hamburg gebauten Korvetten dienten in den afrikanischen Kolonien. Trotz Ermittlungen der Hamburger Polizei wurden die beiden Aktivisten, die die Bombe gelegt hatten, offiziell nie ermittelt. Erst mehr als 50 Jahre später erzählten sie – weiterhin anonym – ihre Version des Ereignisses. In der Hamburger Werft Blohm+Voss, die ein beliebtes Fotomotiv für Tourist*innen darstellt, werden bis heute nicht nur zivile Schiffe sondern auch Kriegsschiffe gebaut und repariert. 
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bibliografie

Fonseca, Ana Mónica (2007): A Força das Armas. O Apoio da República Federal da Alemanha ao Estado Novo (1958-1968), Lissabon: Colecção Biblioteca Diplomática do MNE.

Lopes, Rui (2014): West Germany and the Portuguese Dictatorship, 1968-1974. Between Cold War and Colonialism, Palgrave Macmillan: Houndmills, Basingstoke.

Schliehe, Nils (2016): Deutschlands Hilfe für Portugals Kolonialkrieg in Afrika. Die Bundesrepublik Deutschland und der angolanische Unabhängigkeitskrieg 19161-1974, München: Allitera.

Tavares, João Moreira (2005): Indústria Militar Portuguesa. No tempo da guerra 1961-1974, Casal de Cambra: Caleidoscópio.

Zuletzt geändert am: 27/12/2024 05:57:28

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